Digitale Eingangspost als Grundlage der digitalen Bearbeitung von Vorgängen
Leider kommunizieren Versicherte in den allermeisten Fällen noch immer per Post mit ihrer Krankenkasse. Warum leider? Weil Post im Vergleich zu elektronischer Kommunikation extrem unstrukturiert ist und einen hohen Mehraufwand in der Weiterverarbeitung mit sich bringt.
Eine E-Mail beispielsweise hat einen eindeutigen Absender (zumindest technisch), einen vom Absender definierten und abgrenzbaren Betreff und einen vom Absender definierten Empfänger. Darüber hinaus liegt der Inhalt der E-Mail bereits in elektronischer Form vor, muss also nicht erst digitalisiert werden. All das ist bei klassischer Briefpost anders.
So ist der Inhalt eines Briefs durch einen Briefumschlag geschützt. Zum Verteilen von Schreiben mit ggf. sensiblem Inhalt in der Firma sind Umschläge praktisch. Die Eingangspost kann zentral vorsortiert und auf Schreibtische oder in Postfächer verteilt werden, ohne dass der Inhalt der Briefe allgemein zugänglich gemacht wird. Denn für diese Bearbeitungsschritte sind die von außen ersichtlichen Empfängerinformationen ausreichend. Was nun folgt, ist allerdings in Zeiten des Fachkräftemangels und zunehmender Anforderungen von Versicherten im Hinblick auf eine zeitnahe Bearbeitung ihrer Anliegen wirtschaftlich kaum noch zu vertreten: Die hochqualifizierten Sachbearbeitenden der Krankenkassen nutzen ihre wertvolle Zeit nun nicht, um ihre spezialisier-ten Kenntnisse im Sinne der Versicherten einzubringen. Stattdessen öffnen sie Briefe und tippen Informationen manuell ins System, bevor sie mit der eigentlichen Bearbeitung beginnen können.
Die Alternative ist eine Massenverarbeitung der Eingangspost. Diese entlastet die Sachbearbeitenden und gibt ihnen die Möglichkeit, sich fokussiert auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Denn nun werden ihnen diverse Aufgaben abgenommen. Schauen wir uns das einmal genauer an.

Schritt 1: Vorbereitung der Dokumente
- Die Eingangspost wird manuell grob nach Größe in Stapel à ca. 100 Briefe vorsortiert.
- Anschließend werden die Briefe maschinell geöffnet.
- Danach wird ihr Inhalt von Hand entnommen und geglättet.
- Ein revisionssicherer Posteingangsstempel wird aufgebracht.
- Zwischen zwei Briefen ist jeweils eine Brieftrennung erforderlich – dies erfolgt üblicherweise in Form eines Brieftrennblatts mit Barcode. Erst danach liegen die einzelnen Briefe für die weitere Verarbeitung verwertbar vor.
Diesen Teilprozess nennen wir Dokumentenvorbereitung.
Schritt 2: Scannen der Dokumente
Nun werden die Stapel digitalisiert. Auch dieser Prozess umfasst mehrere Teilschritte:
- Die vorbereiteten Stapel werden beidseitig gescannt. Dabei trennt die Software die Briefe automatisiert auf Basis des Brieftrennblatts.
- Eine revisionssichere Signatur wird aufgebracht. Damit werden die Dateien dem physischen Original juristisch vollständig gleichgesetzt.
- Entsprechend der gültigen Regelungen des BSI (TR-Resiscan – auch Ersetzendes Scannen) geschieht all dies unter hohen Sicherheitsauflagen. Dabei werden u. a. 3% aller Seiten manuell auf korrekte digitale Übernahme kontrolliert.
- Die Originale werden kurzzeitig eingelagert, falls ein Versicherter ungewollt wichtige Dokumente mitgeschickt hat, die mit dem Krankenkassenvorgang nichts zu tun haben und zurückgefordert werden. Nach Ablauf der vorgegebenen Frist werden die Unterlagen, wie die Briefumschläge, datenschutzkonform vernichtet.
All dies gehört zum Teilprozess Scan. Nun liegen die Inhalte in digitaler Form vor – an diesem Punkt allerdings erst als Bilddatei. Bis zur Weiterverarbeitung im Kassensystem sind also weitere Schritte erforderlich.
Schritt 3: Klassifizierung der Dokumente
Während bei einer E-Mail die einzelnen Buchstaben technisch ganz einfach extrahiert werden können, stellt es eine Herausforderung dar, diese aus einem Blatt Papier zu ermitteln. Früher wurden dafür die eingescannten Dokumente mit verschiedenen Verfahren optisch aufgewertet: Schatten wurden reduziert, der Kontrast erhöht und die Ausrichtung optimiert. Anschließend wurden die gescannten Bilddateien per Optical-Character-Recognition (OCR) bearbeitet, um die einzelnen Buchstaben zu erkennen und zu sinnvollen Wörtern in korrekter Reihenfolge zusammen-zusetzen. All dies erfolgte nach komplexen, fest definierten Ausleseregeln. Im Ergebnis kann man an diesem Punkt Folgendes erwarten: Text – ja, Kontext – nein.
Semi-Modern ist es, KI-basierte Intelligent-Character-Recognition (ICR) einzusetzen. Diese Technologie ermöglicht eine Kontextanalyse von Wörtern und Sätzen und korrigiert bei Bedarf die vorliegenden OCR-Ergebnisse. So wird aus einer Null am Anfang eines Wortes ein großes O („OCR“ anstelle von „0CR“) oder aus einer 8, die aufgrund ihrer optischen Ähnlichkeit häufig mit dem B verwechselt wird, der korrekte Buchstabe („Basisleistung“ anstelle von „8asisleistung“). Es findet also eine Bearbeitung mit mehreren Systemen statt (erst OCR, dann ICR).